Versumpft

Herr P. war ein Freund der deutschen Sprache. Besonders hatten es ihm die Sprichwörter und Zitate angetan. Da Herr P. die heimliche Sehnsucht verspürte, ein wichtiger Mann zu sein, nährte er in sich die Vorstellung, ein Sprachwissenschaftler sei an ihm verloren gegangen. So hatte er es sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele Sprichwörter auf ihren Gehalt zu überprüfen, indem er ihnen sein Leben verpflichtete. Herr P. war ein gründlicher Mann und er liebte Reihenfolgen. Es war also nur schlüssig, dass er die Sprichwörter alphabetisch durchlebte. In seinen jungen Jahren erforschte er die Buchstaben A bis E. Er hatte viele Anfänge gelebt, auf der Suche nach den ihnen innewohnenden Zaubern. Er hatte, bei E angekommen, die Bitterkeit vieler Enden geschmeckt. Nun tat er einen beherzten Sprung ins F.

Er legte sich auf die faule Haut, was ihm im Lenz besonders zu pass kam. Er verweigerte sich jeglicher Ordnung und gefiel sich darin, ein begnadeter Sucher zu sein. Er machte sich Gedanken über Politik, vornehmlich die des nördlichen Anrainerstaats – und fand es recht praktisch, dass es da so wenig zu denken gab. Wenn es eine längere Weile nichts in ihm gedacht hatte, freute Herr P. sich. Er war sich sicher, dass dies nur die Vorbereitung für Großes war, was sein Kopf gebären wollte.

Herr P. blieb liegen. Herr P. fing an zu riechen. Herrn P. war das egal.

Frau P. ließ ihn liegen. Erst links, dann mit Recht. Sie empfahl sich auf französisch.

Herrn P. störte das nicht. Er war so vertieft, dass ihn kein Krisenmodus mehr erreichen konnte.

Wenn Sie ihn finden, sprechen Sie ihn nicht an. Steigen Sie vorsichtig herüber. Lassen Sie das stille Genie schlummern.

—snip—

Dies ist eine Schreibetüde auf Basis einer Wortspende von Ludwig Zeidler im Blog Irgendwas ist immer. Die verwendeten Sprichwörter/Redewendungen/Zitate sind, in der Folge ihres Auftretens:

Und jeden Anfang wohnt ein Zauber inne. (Hermann Hesse, Stufen)
bis zum bitteren Ende (ugs.)
auf der faulen Haut liegen (ugs.)
sich einen faulen Lenz machen (ugs.)
Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum suchen. (ugs.)
Es ist was faul im Staate Dänemark. (William Shakespeare, Hamlet)
Das Große ist allweg eine Ellelang faul. (ugs.)
links liegen lassen (ugs.)
sich auf französisch verabschieden (ugs.)
Schlafende Hunde soll man nicht wecken (ugs.)

***

11 Gedanken zu “Versumpft

  1. Es ist unglaublich schwer, mit Menschen, die sich absichtlich verweigern, zu kommunizieren. Ich glaube, ich hätte irgendwann auch die Waffen gestreckt.
    Und ich mag, wie du die Redewendungen einbaust 😉
    Dass du die Illustrationen auch verwenden kannst, wenn du magst, hast du mitbekommen?
    Vormittagskaffeegrüße mit bisschen Schneefall 😉

      1. Hier wechselt das Wetter alle 10 Minuten von Schnee zu Sonne.
        Es gibt Mitschreibende, die machen alles selbst, und andere, die meine Illustrationen verwenden, Letzteres bauchklatscht mich natürlich. Mach es so, wie dir ist 😉

  2. Au weia.
    Gestern dachte ich, Herr P. wäre eine Chimäre, die nur tief und etwas schräg sitzt wie Herrn Ps Krawatte.
    Aber wenn er jetzt nicht reagiert und weiter auf überfordert macht, ist er wohl tatsächlich Geschichte, bald – oder eine Übung zum Aufgearbeitethaben sowieso.
    Für Dritte ist die viele Arbeit anderer immer gut zu lesen: „Ausgeliebt hat es sich schon lange, ausgeschmerzt noch lange nicht.“ (Philebrunnsche Bleistiftspitzenweisheit)
    Na denn … 😉

  3. Diese überraschende Wendung zum strengriechenden Untergang des Herrn P. hat mich „gerissen“, gerade als ich mich auf das gemütliche Nachempfinden von Redensarten einlassen wollte. Gefällt mir!

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