Schlicklage – ABC-Etüde VII in 2/2024

Da lag er nun also wieder im Dreck. Er spürte, wie in sein rechtes Ohr langsam der kühle Schlamm des aufgeweichten Deichs mit einem kleinen schmatzenden Geräusch eindrang. Sein Atem ging keuchend, das Herz schien ihm fast aus der Brust zu springen. Die Augen geweitet und verdreht, sodass das Weiße deutlich sichtbar wurde, den Blick abgewandt. Alles darauf ausgerichtet, die Situation schnellstmöglich zu beenden.

Trotz all seiner Bemühungen, den Zeichen der Beschwichtigung und Unterwürfigkeit, hörte seine Zweibeinerin nicht auf, ihn zu beschimpfen, ihn anzustarren und wenn ihr die Worte ausgingen, mit der ungeliebten Leine zu schlagen. Nichts verstand sie von all den Zeichen, die er ihr gab. Nichts hatte sie begriffen von seiner Natur und seinem Sein. Das kleine Fitzelchen Freiheit, das er, gewonnen durch einen Moment ihrer Unaufmerksamkeit, für sich genutzt und mit einem flotten Sprint zur Fasanenjagd verjubelt hatte, bezahlte er jetzt teuer. Manchmal hatte er nicht übel Lust, solch einen Moment der Freiheit zu nutzen, um sich für immer von ihr loszusagen. Doch genau DAS lag nicht in seiner Natur. Er kehrte ein ums andere Mal aus Verbundenheit und Liebe zurück zu ihr, weil ein Dackel hält, was ein Dackel verspricht. Hat sein Herz einmal ja gesagt, gibt es nicht mehr die Option zu ‚vielleicht‘ oder ’nein‘.

Was seine Zweibeinerin nicht wusste war, dass ihr Verhalten sie inzwischen jede Menge Karmapunkte gekostet hatte. Ihr Karmakonto hatte sie schon lange überzogen und sich tüchtig verschuldet. In Momenten tiefster Qual rettete ihn die Gewissheit, dass sie einst dafür die Quittung bekommen würde. Und wer weiß? Vielleicht wäre er dann am Ende ihrer Leine. Er würde sie lehren, wie ein Mensch einen Hund verstehen könnte und vielleicht wäre dann endlich alles gut.

Dies ist meine siebte ABC-Etüde zur Wortspende von Werner Kastens in einer Blog-Aktion von Irgendwas ist immer. Die Wortspende lautete diesmal: Unterwürfigkeit – verschuldet – verjubeln. Die maximale Textlänge – wie immer – 300 Wörter.

15 Gedanken zu “Schlicklage – ABC-Etüde VII in 2/2024

  1. Du bist also auch auf den Hund gekommen. Mein Schäferhund sagt immer: traue keinem Dackel, denn nicht umsonst gibt es sein Konterfei auch als Wackel-Dackel!

    Wenn der Hund nur als Status-Symbol gehalten wird und auch nicht zwischendurch mal Hund sein darf, dann ist das allerdings eine traurige Geschichte und gar nicht so ganz selten zu beobachten.

    Und da gibt es ja auch noch so einen schönen Spruch über das Karma, aber den kann ich hier nicht bringen. Und somit schließe ich mich dem Dackel an und hoffe, dass die Situation so eintreten wird, wenn es soweit ist.

    1. Ja, am Dackel scheiden sich die Geister. Von dessen Seele hat der Schäferhund keine Ahnung ;-). Im Laufe der Jahrzehnte konnte ich übrigens feststellen, dass auch Hunde, Katzen und Pferde Rassisten sein können.

      Als langjährige Halbdackel-Gefährtin kann ich die Klarheit, mit der Dackel Entscheidungen treffen nur loben. Dass sie aufgrund ihres wachen Geistes und ihrer schnellen Auffassungsgabe dazu in der Lage sind, blitzschnell umzuentscheiden und neue Richtungen einzuschlagen – so es ihren Bedürfnissen und denen des Rudels dient – finde ich phänomenal und bewundernswert.

      Ich habe eine Bekannte, die schon ihr ganzes Leben lang Hunde im Rudel führt. Nun ist zum ersten Mal ein Dackel dazugekommen. Sie dachte, sie hätte ‚ihre Welt‘ verstanden und im Griff. Das Dackelkind lehrt sie nun Demut. Mir macht es total Freude zu sehen, wie sich ihr eine komplett neue Hunde-Welt öffnet.

  2. Ich sehe so oft Menschen, die mit ihren Hunden umgehen, dass es mich graust. Dass Hunde das immer noch mit Liebe und Treue vergelten, grenzt für mich an ein Wunder.
    Was meinst du übrigens mit „Rassisten“ – und wie äußert sich das?
    Danke für die Etüde!
    Abendgrüße ☁️🌧️🛋️🍵🍪

    1. Bzgl. des tierischen Rassismus habe ich mehrere Beispiele aus längerer eigener Beobachtung:

      In einer Herde von Pferden haben die Isländer ganz konsequent einen Tinker auch nach jahrelanger Zugehörigkeit gemobbt. Er war immer der letzte in der Nahrungskette, steckte auch mal Prügel ein, selbst wenn es unter den Isis einen Neuzugang gab.

      Bei Katzen habe ich es bei eine Kombi aus Britisch-Kurzhaar und Persern erlebt. Auch hier gab es einen Rassezusammenhalt der Britisch-Kurzhaar und der Perser hatte in allem das Nachsehen: Platzwahl, Reihenfolge der Zuwendung (da hagelte es Krallenargumente, wenn er vor den anderen gestreichelt werden wollte). Wenn er die Möglichkeit haben sollte, sein Futter in Ruhe zu sich zu nehmen, musste es in einen anderen Raum gestellt werden.

      Unter Hunden kenne ich es vielfältig: Viele Hunde lehnen schwarze Hunde ab, reagieren mit Aggressionsbellen auf sie. Mein Halbdackel war mehr von der Sorte ‚platzen lassen‘. Er provozierte total gern Schäferhunde und West Highland Terrier dadurch, dass er vor Zäunen oder Türen einmal kurz ‚Wuff!‘ machte, um dann mit den Pfoten in den Hosentaschen lässig und ungerührt weiterzutraben, während die Schäferhunde und Wessies sich die Seele aus dem Leib bellten. Pudelartige und Golden Retriever hat er wegignoriert. Allen anderen Hunderassen war er ganz offen und freundlich gegenüber.

      1. Sehr interessant, danke. Und dafür gibt es echt keine anderen Gründe als Rassismus? Ich kenne mich da nicht aus, ich würde es immer auf die Individuen schieben.
        (Schönes Leuchtturm-Foto übrigens, eben vergessen.)

      2. Vielleicht gibt es dafür auch einen anderen Grund. Die Isländer scheinen aber dafür bekannt zu sein, dass sie anderen Pferde- oder Ponyrassen eher skeptisch gegenüberstehen.

        Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auch noch unsere Schafherde ein. Die war auch aus drei Rassen gemischt. Mit den Schnucken wollten die anderen auch nix zu tun haben. Dabei waren die (aus meiner Sicht) total friedlich. Irgendeinen Sinn wird das schon haben. *schulter zuck*

  3. Ach, da blutet mein Dackelprinzessinbegleiterinnenherz! Meine Maxima ist kein „richtiger“, sieht aber aus wie einer und benimmt sich auch so. Wie du es im Kommentar beschrieben hast: da lernt auch ein Mensch mit Hundeerfahrung zwei Charaktere ganz neu kennen, den des Schlappohrschnüfflers und den eigenen in seinen neu zu überdenkenden Grenzen.

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