Herr P. etüdisiert

Herr P. hatte sich den Großteil seines Lebens in der Disziplin der Unterwürfigkeit geübt. Wo andere auf dem Vollen geschöpft und einen Tag nach dem anderen verjubelt, auf Deibel-komm-raus rebelliert und das Leben in vollen Zügen ausgekostet hatten, hatte er sich an sich selbst verschuldet, indem er sich dem Willen anderer untergeordnet hatte. In seiner Lebensmitte wendete er das Blatt und sagte sich von allen los, die er verdächtigte, zu seiner Unterdrückung beigetragen zu haben. In letzter Konsequenz vergaß er jedoch sich selbst in dieser Rechnung. Und so blieb unterm Strich alles beim Alten, nur in der einsameren Variante.

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Dies ist Etüde Nr. 2 zu den für die Kalenderwochen 6 bis 9 von Werner Kastens gespendeten Wörtern Unterwürfigkeit, verjubeln und verschuldet. Eine Sammlung aller veröffentlichter Texte findet ihr in den Kommentaren unter dem aktuellen Etüdenbeitrag bei Irgendwas ist immer und dann natürlich auch wieder in der Monatszusammenfassung, die die wunderbare Christiane für uns bereitstellt.

8 Gedanken zu “Herr P. etüdisiert

  1. Kenne einen ähnlichen Fall, wo sich jemand sein ganzes Leben lang beschränkt hat, plötzlich das Geld mit vollen Händen zum Fenster rauswirft und ehrlich erstaunt ist, dass nicht alle Freund*innen das gut finden, selbst wenn sie Nutznießer*innen davon sind.
    Wie geht es Herrn P. mit seiner Einsamkeit?
    Nachmittagskaffeegrüße, immer noch mit Regen 🌧️☔🖥️☕🍪

    1. Da müsste man Herrn P. fragen, wie es ihm ginge. Da ich zum verdächtigen Personal gehöre, entzieht sich sein Zustand meiner Kenntnis 😉

      Nachmittagskaffeegrüße zurück aus dem Trockenen. Froh, aus dem Nassen raus zu sein. Drei Stunden verregnete Autobahnfahrt sind kein Vergnügen.

      1. Ach, Herr P. ist nicht völlig fiktiv? War mir nicht klar. 🤔😉
        Nee, auf gar keinen Fall, und schon gar nicht, wenn du an Hamburg vorbei musstest. 🚘👍

    1. Wie lernt man das denn? Woran merkt man, dass es wirklich die eigenen Gedanken sind, die einen im Oberstübchen beschäftigen? Und wenn es die eigenen sind, so müssen sie noch lange nicht sinnhaft sein, auch wenn es sich vielleicht so anfühlt.

      Mir hilft häufig ein lebendiges fragendes Gegenüber, wenn ich Gedanken Glauben schenke, die mir aber irgendwie gar nicht gut tun. Ich habe eine Freundin, die das mit schöner Regelmäßigkeit tut: “ Ist das dein Gedanke… oder gehört der jemand Anderem? Zu wem gehört er? Ist er nützlich? Wenn nicht, was willst Du mit ihm machen?“

  2. Ich denke, dass eigene Gedanken ja bewusst in einem Prozess entwickelt werden, während fremde über Jahre eingetrichtert oder vermeintlich als gut oder notwendig weitergegeben werden. Und daraus ergibt sich immer ein Hinterfragen des Bestehenden oder nach dem Mehrwert von Veränderungen. Und das kann Diskussionen auslösen, enthebt aber nicht die notwendige EIGENE Entscheidung.

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