Zu viel ist zu viel


Seit gut 400 Jahren wanderte Ophelia auf dem Boden der Ostsee umher. Nach dem ganzen Chaos rund um ihren Vater, ihren Bruder und den geliebten Mann, hatte sie entschieden die Nase voll von der Menschheit gehabt – ganz besonders von der Hälfte der Welt, die die Männer darstellten – und hatte sich in die Fluten gestürzt. Ihr war Wahnsinn angedichtet worden, wo es in Wirklichkeit die Wirren des männlichen Teils der Menschheit waren, die sie gequält hatten. Sie hatte beschlossen, nicht mehr Teil dieses Irrsinns sein zu wollen. Und ihre Beobachtungen aus sicherer Tiefe heraus gaben ihr recht. Über ihrem Kopf wurden nahezu unzählbare Kriege geführt, deren Sinnhaftigkeit sich ihr einfach nicht erschließen wollte. Je länger sie wanderte, desto mehr genoss sie die Phasen der Ruhe.

Vor nicht so langer Zeit änderte sich die Qualität der kriegerischen Handlungen. Hatten sich die Männer bislang auf der Oberfläche der See bewegt und einander Angesicht zu Angesicht abgeschlachtet, ihr Blut gerötete Schaumkronen hinterlassen, drangen sie nun zu ihr in die Tiefe vor. Boote, die lange Zeit unter Wasser bleiben konnten, verbreiteten Angst und Schrecken in ihrer gewählten Heimat. In zwei langen Phasen brachten sie Schmerz und Pein in ihre Welt. Explosionen zerfetzten viele ihrer liebgewonnenen nichtmenschlichen Gefährten. Nach diesen unruhigen Zeiten trat wieder eine Phase der Ruhe ein. Ophelia atmete auf und begann sich zu entspannen, als sie gewahr wurde, dass es andere Umtriebigkeiten in ihren Gefilden gab. Misstrauisch betrachtete sie die vier wurmähnlichen Gebilde, die sich über den Grund ihrer Heimat schoben. Welchen Zweck hatten sie? Ging Gefahr von ihnen aus? War vielleicht der Plan der Oberwelt, den gesamten Grund mit einem Netz zu überziehen, sie und ihre Gefährten zu vertreiben?

Nach einer Weile endete dieser Vorstoß, es blieb bei den Einzelwürmern und wieder schien Ruhe einzukehren. Bis es eines schönen Herbstmorgens, als die Sonne die Oberfläche der See gerade in rotgoldenes Licht tauchte, eine deutliche Erschütterung gab. Ophelia eilte zu deren Ursprung und erblickte, dass eine Explosion drei der vier Würmer zerstört hatte. Sie entbrannte vor Wut. Es war zu befürchten, dass nun ihr Zuhause erneut Spielplatz von männlichen Machtgelüsten würde. Ein weiteres Mal traf sie eine grundsätzliche Entscheidung. Sie schnappte sich eins der Dinger, die die technisch fortgeschrittene Menschheit ihr ins Meer geworfen und das sie zu nutzen gelernt hatte. Sie eilte damit zur Küste, stellte ihr Vehikel sorgsam auf den Strand und schwor sich, ihre Unsterblichkeit dafür einzusetzen, dass endlich dauerhaft Frieden herrschte. Und würde es das Leben der Hälfte der Menschheit kosten, sie wüsste, welche sie wählte.

—snip—

Manchmal ist mein Kopf begriffsstutzig, wenn auch selten. Hier war es so. Bei der Erklärung einer neuen Übung im Rahmen der Impulswerkstatt von Myriade stand ich ganz entschieden auf dem Schlauch. Hä? Verbindungsübung? Also: Nimm doch irgendwas und mach daraus irgendwas? Äh… also was, was Du Dir selbst aussuchst und dann mit Wörtern (oder wieder anderen Bildern?) zusammenklebst? – Das mach ich doch ohnehin schon die ganze Zeit (dachte es in mir)! Ich wähle ein Impulsbild oder Wort aus der Werkstatt und dann kommen eigenen Bilder und/oder Wörter dazu. Wo ist jetzt die Challenge?

Tja… die war halt in MIR, weil ich es einfach nicht begriffen habe *lach*

Und ich bin mir nicht sicher, ob es so, wie ich es jetzt gemacht habe, richtig ist. Ist auch wurscht. Ich habe die Galerie auf meinem Smartphone aufgerufen und mit Schwung scrollen lassen. Dann jäh gestoppt und eins der Bilder der aktuellen Ansicht ausgewählt. Dann das Gleiche noch einmal, eine bildliche Reise in die weitere Vergangenheit. Zack, wieder ein Treffer. Heraus kamen dabei ein Bild von der Ostsee (Fahrrad) und ein Graffiti aus Hannover, das ich in einem Hauseingang entdeckte.

Was ich daraus zusammengebastelt habe, lest Ihr oben.

Kleiner Bildungsblock: Der Name Ophelia kommt aus dem Altgriechischen. Er geht auf das Wort „ophelos“ zurück, was übersetzt „der Nutzen“, „der Vorteil“, „der Gewinn“ und „die Hilfe“ bedeutet. Hoffen wir also das Beste für uns, was ihre künftigen Taten für die Menschheit angeht. Und vielleicht muss es ja nicht zum Schlimmsten kommen 😉

4 Gedanken zu “Zu viel ist zu viel

  1. Das ist super, Cynthia, wirklich aus beliebig ausgesuchten Bildern entstanden! Wie du gerade auf Ophelia gekommen bist, faszinierend und dass sie dann mit dem Fahrrad aufbricht, genial skurril ! Dieser Beitrag gefällt mir sehr. Und ja, so ist es gedacht: ausgehend von einem Bild zu einem anderen hinzuschreiben und daraus ein Ganzes zu machen. Herzlichen Dank für diese Unterwasserfortsetzung mythologischer Geschehnisse 😉 🙂

    1. Ich war auch amüsiert über den assoziativen Rösselsprung, den ich da absolviert habe. Hier der Weg:

      1. Auswahl der Bilder
      2. Frage an mich selbst: Wer könnte das Fahrrad da so abgestellt haben (an der Steilküste, wo weit und breit kein Weg ist)?
      3. Antwort: Jemand, der aus dem Meer gekommen ist.
      4. Wer war das?
      5. Eine Meerjungfrau.
      6. Welchen Namen könnte sie haben?
      7. Kurzrecherche „Meerjungfrauen – Namen“ – waren alle Kacke, bis auf Ophelia.
      8. Ophelia? Das war doch die, die sich Hamlets wegen in Dänemark in die Fluten stürzte.
      9. Wo liegt denn dieser Ort, an den Shakespeare die Handlung fabulierte?
      10. Ah… passt. Ostseeküste.
      11. Welche Bedeutung hat ‚Ophelia‘ eigentlich? Welche Rolle spielt sie bei Hamlet (und warum)? Und was beinhaltet die Namensherkunft für zusätzliche Möglichkeiten?

      Mir macht so etwas total Spaß. So war es ja auch bei Gerda. Einiges wusste ich über Weinbergschnecken, anderes, das dann Eingang in die Geschichten genommen hat, habe ich durch Recherchen überhaupt erst als Idee bekommen.

      1. Oh ja diese Mischung aus Verspieltheit und Wissensdurst mag ich sehr und wenn dabei auch noch Texte herauskommen um so mehr !

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